Ostern in Haiti
„Ich staunte nicht schlecht, als ich sah, wie Marie-Mène im Kinderdorf am Abend des Karsamstag Eier bemalte und Süßigkeiten für die Kinder richtete, die sie dann am Sonntagmorgen versteckte. Meine Frage, ob das in Haiti üblich sei, verneinte sie. Aber Enel habe sich an seine Zeit im Kinderdorf erinnert, und dass die Weißen das immer für die Kinder gemacht hätten. Ich war platt. Überhaupt holt Enel eine Menge Dinge hervor, die „damals“ eingeführt, aber irgendwann nicht mehr praktiziert wurden, um damit den Kindern Freude zu machen......“
Wie Helga Östreicher Ende April berichtet,
erlebten unsere Kinderdorf-Kinder Osterfreuden „auf europäisch“. Denn der
Brauch, buntbemalte Eier (die in Haiti nicht zum täglichen Speiseplan gehören,
sondern Luxus-Lebensmittel sind) zu verstecken, ist in Haiti gänzlich
unbekannt. Auch Schoko-Hasen hätten hier keine Chance, sondern würden im Nu
wegschmelzen.
In Haiti werden von den Kindern in den Wochen
vor Ostern aber – oft in der Schule bzw. dem Kindergarten - fleißig kunstvoll verzierte Drachen gebaut,
die dann in der Karwoche steigen gelassen werden. Wobei es in manchen Gegenden
schon eine Kunst ist, sie an den vielen Hunderten Drähten vorbei in den Himmel
zu bekommen, die von Stromdieben von einer Freileitung zur eigenen Hütte
gezogen wurden. Bis zum Abend des Karfreitag wirbeln die Drachen dann durch die
Luft, ab Samstag sind sie verschwunden. Warum? Die Antwort der meisten
Haitianer lautet: Weil es immer so war.....
Vielleicht sind die Drachen das Gegenstück der
Kinder zu den „Rara“s der Erwachsenen, die mit viel Lärm, Tam-Tam von Trommeln
und Tröten und Tänzen in der Zeit vor Ostern die Straßen beherrschen. Es ist
nicht ungefährlich, diesen Umzügen, bei denen auch viel Alkohol fließt und sich
mancher in Trance tanzt, zu nahe zu kommen, denn die Stimmung ist allgemein
sehr aggressiv. Teilweise werden dieses
Raras als Demonstration der Voodooisten im Land gegen die Christen
charakterisiert: Man feiert das Leid und die Schmerzen Jesu.
Dies würde erklären, warum auch die Umzüge an
Ostersonntag abrupt enden, wenn klar wird, dass Jesus durch seine Auferstehung
den Tod endgültig besiegt hat.
In den christlichen Kirchen Haitis hat das
Leiden und Sterben Jesu einen besonderen Erinnerungswert. In vielen
katholischen Gemeinden gibt es Kreuzwege, der Leidensweg Jesu wird eindrücklich
gestaltet, mit einem großen Holzkreuz und aufgeteilt in einzelne Stationen, die
sich an den biblischen Stationen orientieren, aber auch Verbindungen zu den
Leiden des haitianischen Volkes herstellen. Die Feiertage selbst stehen im
Zeichen langer Gottesdienste und Gedenkfeiern. In diesem Land, in dem schon ein
normaler Sonntags-Gottesdienst gut und gern drei Stunden und länger dauern
kann, beginnt dann ein Gottesdienst am Karfreitag je nach kirchlicher
Ausrichtung am Vormittag, um seinen Höhepunkt gegen 15 h, zur Todesstunde Jesu,
zu erreichen, oder die Gläubigen versammeln sich erst von 13 h bis 17 h, um
nachts zum Abendgottesdienst wieder zusammen zu treffen. Oder der Samstagabendmesse
bis Mitternacht folgt das Hochamt zur üblichen Gottesdienstzeit am
Ostermorgen...
In der Woche nach Ostern treten dann die
protestantischen Gemeinden stärker in Erscheinung, die mit Umzügen,
Chorgesängen und Proklamationen auf den öffentlichen Plätzen Evangelisationen
veranstalten, um den Sieg Jesu und die Hoffnung für die Menschen zu verkünden.
Mit diesem Bericht über die Bedeutung und den Ablauf von Ostern in Haiti, den wir in unserem Quartalsheft Frühjahr 2011 abgedruckt hatten, grüßen wir alle Freunde Haitis und der LEBENSMISSION e.V., und wünschen Ihnen ein gesegnetes Osterfest 2013. DER HERR IST AUFERSTANDEN! - möge er Ihnen begegnen und Sie auf Ihrem Weg begleiten, so wie wir es uns auch für unsre Kinder im Orphelinat "Mission de Vie" in Gonaives wünschen!
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