Mittwoch, 24. Juni 2009

Aktuelles (Stand 20.05.09, Heft 2/09)











Politische Situation
„Wenn du eine Wahl abhältst und niemand lässt sich blicken, dann nennt man das einen Alptraum“ – so beschrieb ein amerikanischer Journalist einige Tage nach der Senatswahl vom 19. April die Situation in Port-au-Prince und fuhr fort: „Ich fand an diesem Morgen bestätigt, was ich schon oft gehört hatte: Dass die Haitianer es lieben, auf den Straßen Fußball zu spielen, wenn es einmal keinen Verkehr gibt.“
Das Verbot, am Wahltag mit dem Auto unterwegs zu sein, gehörte ebenso wie die Vorgabe an alle Kirchen, die Gottesdienste auf maximal zwei Stunden zu beschränken, zu den Maßnahmen der haitianischen Regierung, die das Ziel verfolgten, möglichst viele Menschen möglichst gewaltlos wählen zu lassen. Letztendlich lag die Wahlbeteiligung jedoch nur zwischen 5 und 10 % der Wahlberechtigten, was o.g. Journalisten zu der Schlussfolgerung veranlasste: „Das haitianische Volk hat gewählt, indem es das Wählen verweigerte.“
Es gibt viele mögliche Gründe, warum so wenig Menschen zur Wahl gingen: Die Schwierigkeiten im Vorfeld, überhaupt in Erfahrung zu bringen, wo man wählen sollte – was von jedem einzeln per Handy erfragt werden musste -, die Frustration angesichts so vieler Wahlen in der Vergangenheit, die doch keine Besserung für das Land brachten, die Angst vor Gewalt. Und tatsächlich musste in einem Departement (Zentralhaiti) die Wahl wegen gewaltsamen Zwischenfällen abgesagt werden und trotz massivem Einsatz der Friedenstruppen wurden im ganzen Land einzelne Wahllokale überfallen, kam es zu Demonstrationen, Schießereien, Verhaftungen.
Keinem der Kandidaten um die zu besetzenden 12 Senatssitze gelang es, in diesem ersten Wahlgang die absolute Mehrheit in seinem Wahlbezirk zu erreichen. Zum zweiten Wahlgang, ursprünglich geplant für den 7. Juni, erstmals verschoben auf den 21. Juni, sind nun noch 8 statt bisher 35 Parteien zugelassen, wobei ein Duell zwischen der regierenden Lespwa-Partei und der OPL (Organisation du Peuple en Lutte) erwartet wird.
Währenddessen hat der Senat, der sich Gerüchten zufolge sowieso geweigert hätte, eventuelle Mehrheits-Sieger wegen der zu niedrigen absoluten Stimmenzahl zu validitieren, seine reguläre zweite Sitzungsperiode des Jahres beendet.
Im Gegensatz zu den vielen kritischen Stimmen in Haiti selbst werten die USA als größter Geldgeber und technischer Ausrüster die April-Wahlen als großen Erfolg und Beweis der Stärkung der demokratischen Strukturen Haitis.
An dieser Stärkung arbeitet weiterhin Premierministerin Michelle Pierre-Louis mit aller Kraft. Ohne wirklichen politischen Rückhalt und ungeliebt von einflussreichen wirtschaftlichen Kreisen des Landes kämpft sie unverdrossen für so unpopuläre Ziele wie die Bekämpfung der Drogenhandels-Korruption und die Gleichheit aller vor dem Gesetz. Zur Verbesserung der Lage in Haiti hofft sie nicht nur auf Hilfsgelder der internationalen Gemeinschaft, sondern vor allem auf das Finden staatlicher wie privater Investoren, die Arbeitsplätze schaffen helfen.
Dass die nationale Sicherheit dafür eine der wichtigsten Vorbedingungen ist, ist ihr bewusst. Viele Beobachter wünschen ihr, dass es ihr gelingen wird, diese Aufgabe zu meistern, an der schon viele vor ihr gescheitert sind. Für alle, denen Haiti wirklich am Herzen liegt, sagen diese Stimmen, wäre es ein großer Verlust für das Land, wenn Michelle Pierre-Louis scheitern würde.
Arbeitsplätze schaffen in Haiti, das möchte auch Bill Clinton, ex-Präsident der USA und neuer UNO-Botschafter für Haiti. 150.000 neugeschaffene Stellen binnen zwei Jahren, bei gleichzeitigem Aufbau eines funktionierenden Gesundheitssystems, Entwicklung der Infrastruktur und Behebung der wirtschaftlichen Schäden der letztjährigen Hurrikan-Schäden (Wiederaufbau von Schulen und Geschäften, Neuorganisation der Landwirtschaft) – die Ziele sind hoch gesteckt.
Unter der Überschrift: „Die dümmste Schweinepest-Überreaktion“ erschien in einer amerikanischen Zeitung ein Artikel über die Abweisung eines mexikanischen Hilfsgüter-Schiffes, das 77 Tonnen dringend benötigter Lebensmittel und Saatgut nach Haiti bringen sollte, durch die haitianischen Behörden.
Im Juni beginnt bereits die Wirbelsturmsaison 2009 in der Karibik, die laut Vorhersagen aufgrund der allgemein schlechten meteorologischen Bedingungen der Region mehr und stärkere Hurrikans als 2008 mit sich bringen soll. Entsprechend groß ist die Angst unter der haitianischen Bevölkerung, dass neues Unheil über sie hereinbrechen könnte, noch bevor die Schäden der letzten Katastrophe weggeräumt sind. Und auch Ministerpräsident René Préval zeigte sich Mitte Mai bei einem Besuch in Gonaives sehr besorgt über den momentanen Zustand der Stadt, wo noch zu viel Schlamm und zu viele Trümmer an die Überschwemmung im letzten September erinnern
Schon am 17. Mai kam es, vor allem im Süden Haitis, aber auch in der Nähe von Saint Marc, auf Grund starker Regenfälle zu Überflutungen, bei denen mindestens 10 Tote zu beklagen waren. Und die Wirbelsturmsaison hat noch nicht begonnen...

Kinderdorf/Patenschaften etc.
Als Heinz Östreicher und Karin Rinklin vom deutschen und Werner Frankhauser vom Schweizer Vorstand der LEBENSMISSION Mitte April gemeinsam nach Gonaives reisten, herrschten noch Sonne und Staub in der Stadt. Nur zehn Tage standen ihnen für ihren Aufenthalt im Kinderdorf zur Verfügung, doch diese waren stramm gefüllt mit zahlreichen Gesprächen mit der Kinderdorfleitung, den Mitarbeitern aller Projekte, den Kindern und Jugendlichen des Dorfes, unseren Ehemaligen, den Leitern befreundeter Kirchen und Schulen, mit Kassenprüfungen, Abklärungen, Absprachen, Besuchen bei Patenschaftsfamilien und anderen Projekten, und unzähligen persönlichen Begegnungen. Als Segen erwies sich dabei einmal mehr die inzwischen gute PC-Ausstattung des haitianischen Büros und die stabile Internet-Verbindung, die es ermöglichte, viele Fragen in direktem Austausch zwischen dem deutschen Büro und den Reisenden vor Ort zu klären, und so Manches wesentlich schneller voran zu bringen, als es sonst oft möglich ist.
Ein böses, wenn auch nicht unerwartetes Erwachen, gab es für alle Beteiligten, als während des Besuches aus Europa die zuständigen Ingenieure den überarbeiteten Kostenvoranschlag für den Anschluss des Kinderdorfes an das städtische Stromnetz vorlegten: Der Endpreis hatte sich auf fast 20.000 USD mehr als verdoppelt, was vor allem an der „üblichen“ Preissteigerung für das benötigte Material seit der Ausfertigung des ersten Voranschlages lag. Trotzdem haben wir uns entschlossen, an der ursprünglichen Entscheidung festzuhalten und inzwischen die noch fehlenden 9.000 EUR nach Gonaives überwiesen.
Die Renovierung des Schulgebäudes „Freinet Célestin“ der Eglise Evangélique Témoins de Jésus Christ ist bis auf die noch fehlenden Türen abgeschlossen, das Gebäude endlich nicht mehr einsturzgefährdet. Direkt daneben wurde inzwischen mit dem Bau der Kirche begonnen, denn die Gottesdienste werden nach wie vor in der zu diesem Zweck jeweils umgeräumten Schule abgehalten.

Donnerstag, 19. März 2009

Patenschaftsprojekt Gonaives


315 Außenpatenschaften, 20 Schulpatenschaften und 5 Externen-Patenschaften, das war der Stand des Patenschaftsprojektes Ende Dezember 2008. Zwanzig neue Außenpatenschaften konnten im Laufe des Jahres vermittelt werden, während zwölf beendet werden konnten – weil das Patenkind seine Ausbildung beendet hat – oder beendet werden mussten – wegen Erreichens der Altersgrenze, weil mehr als eine Schulklasse wiederholt wurde, weil der junge Erwachsene Haiti verließ um sein Glück im Ausland zu suchen, oder weil ein jungen Mädchen bereits zum zweiten Mal Mutter wurde.


Leider war gerade dies 2008 bei immerhin vier Paten-Mädchen der Fall. Unsere „Patenkinder“ werden erwachsen. Inzwischen gehört mehr ein Drittel der vermittelten Jungen und Mädchen der Altersgruppe zwischen 18 und 25 Jahren an. Deshalb legt Wilfrid in seinen Seminaren für die Patenkinder besonders großen Wert auf die Vermittlung von Selbstakzeptanz und Disziplin, gerade im Bereich der zwischengeschlechtlichen Kontakte. Alle zwei Wochen trifft er sich mit einer kleinen Gruppe der jungen Erwachsenen, hat ein offenes Ohr für ihre Fragen und Probleme und ermutigt sie zu einem sorgsamen Umgang mit sich selbst und untereinander, damit sie sich ihre Zukunft nicht verbauen.


Viele dieser jungen Menschen befinden sich auf dem Sprung von der Schule ins Berufsleben, was gerade in Gonaives bedeutet, einen der wenigen verfügbaren Ausbildungsplätze zu ergattern und dann das Geld aufzubringen, die Ausbildung auch bezahlen zu können. Manche Patenkinder können von ihren europäischen Paten hierbei unterstützt werden, andere leider nicht, und auch den fast 30 Jungen und Mädchen, die mittlerweile ihre Unterstützung aus dem „großen Topf“ der Mission erhalten, können wir die Finanzierung einer teuren Ausbildung nicht garantieren. Hier sind wir im Moment dabei, gemeinsam mit unseren haitianischen Mitarbeitern die Grundstrukturen für einen Fonds zu erarbeiten, aus dem zumindest einige Ausbildungen finanziert werden könnten. Wir werden Sie auf dem Laufenden halten.


Noch weit entfernt von diesen „erwachsenen“ Problemen sind die vielen Kinder, die noch auf eine Patenschaft warten. Schweren Herzens haben wir Anfang diesen Jahres wieder fast vierzig Anträge von Kindern aussortiert, die wir aufgrund ihres Alters nicht mehr für Erstvermittelungen berücksichtigen können. Aber die Warteliste bleibt trotzdem lang, und wir möchten Ihnen auch in diesem Heft wieder vier Kinder vorstellen, die uns Anfang diesen Monats aus Gonaives als besonders dringend gemeldet wurden:
Djephena JOSEPH, geb. am 23. Juni 2002, besuchte im Mai 2008, als der Patenschaftsantrag gestellt wurde, die erste Grundschulklasse. Sie hat noch einen kleinen Bruder. Beide Eltern sind arbeitslos. Nur wenn der Vater aushilfsweise irgendwo in seinem Beruf als Mechaniker arbeiten kann, können sie Essen kaufen.
Rood Naidine LILITE, geb. 11. März 2004, hat noch einen Bruder. Beide Eltern haben keine Arbeit und deshalb immer Schwierigkeiten, den Kindern genug zu essen zu geben. Im März 2007, als der Patenschaftsantrag gestellt wurde, besuchte Rood Naidine im ersten Jahr den Kindergarten.*
Wanderley Theen Gutembert OLTIN, geb. 30. Dezember 2004, lebt mit seinen Eltern bei einer Tante. Da weder Vater noch Mutter Arbeit haben, sind die Eltern, wie die anderen vorgestellten Familien, oft darauf angewiesen, dass ihnen Nachbarn oder Freunde Essen geben. Aufgrund der finanziellen Not konnte Wanderley im April 2008, als der Patenschaftsantrag gestellt wurde, noch nicht den Kindergarten besuchen.*
Myderson HONORAT, geb. 20. März 2005, und seine Familie leben ebenfalls „aus dem Glauben“, das heißt in Abhängigkeit von anderen, die ihnen etwas zustecken, weil sein Vater keine Arbeit finden kann, obwohl er einen Beruf (Elektriker) erlernt hat. Der Patenschaftsantrag wurde im Herbst 2007 gestellt, Myderson sollte der Kindergartenbesuch ermöglicht werden.*
* Aktuelle Informationen und neue Fotos der Kinder werden sofort angefordert, wenn wir ihnen eine Patenschaft vermitteln können.
(Barbara Knochel)
Infos zu Patenschaften:
lebensmission@t-online.de oder Tel.: 06341/82331
LEBENSMISSION e.V., Ahornstr. 19, 76829 Landau

Sonntag, 1. März 2009

AKTUELLES (Stand 18.02.09, Heft 1/09)


Aktuelles
(zusammengestellt von B. Knochel, Redaktionsschluss 18.02.09)
Der Provisorische Wahlrat (CEP) hat seine Arbeit im Hinblick auf die Senatswahlen am 19.04.09 Ende des Jahres 2008 aufgenommen. Die Frist für die Aufstellung der Kandidaten wurde zweimal verschoben, wobei es bereits nach Ablauf der ersten Frist zu lautstarken Debatten und ersten Demonstrationen kam. Denn von den 105 Personen, die ihre Kandidatur eingereicht hatten, hatte der CEP 40 abgelehnt, überwiegend aufgrund vermuteter Verstrickungen der Kandidaten in kriminelle Handlungen oder den Drogenhandel, darunter aber auch alle Nominierten der Lavalas-Partei von Ex-Präsident Aristide. Ihnen wurde vorgehalten, dass ihnen die Autorisierung durch Unterschrift des Vorsitzenden der Partei fehlt. Dies ist immer noch Jean-Bertrand Aristide, der seit 2004 im südafrikanischen Exil lebt.
Auch ausländische Politiker und Organisationen meldeten sich zu Wort und beanstandeten, dass mit diesem Total-Ausschluss einem nicht unerheblichen Teil der haitianischen Bevölkerung das Gefühl vermittelt werden könnte, dass ihre Meinung bei der Wahl der 11 Senatoren nicht berücksichtigt würde. Dies würde die Glaubhaftigkeit des gesamten Wahlganges in Frage stellen.
Die erneute Fristverlängerung führte zur Zulassung weiterer 12 Kandidaten – insgesamt bewerben sich nun 77 Kandidaten aus 35 Parteien um die vakanten Senatsmandate – doch wiederum blieben die Lavalas-Vertreter außen vor.

Vertreter des WFP (Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen) haben dringend an die Staatengemeinschaft appelliert, 100 Mio USD für die Nahrungsmittelhilfe für Haiti zur Verfügung zu stellen. Andernfalls werde das Land spätestens im März diesen Jahres seine kompletten Lebensmittelvorräte aufgebraucht haben.

Gonaives
In Gonaives hat die UN die von Minustah-Truppen durchgeführte Ausgabe von Lebensmitteln an die Bevölkerung inzwischen halbiert, weil „die Hälfte der Bevölkerung der Stadt sich inzwischen wieder selbst ernähren kann“. Vorwiegend versorgt werden nach wie vor Schwangere und Kinder unter 1,10 m, so dass viele Hungernde nicht bedacht werden. Oder, wie es ein Journalist formulierte: „Die Kinder bekommen zu essen, aber ihre Eltern sind kurz vorm Verhungern.“
Um das wirtschaftliche Leben in Gonaives wieder anzukurbeln, nachdem ein Großteil der unzähligen Kleinhändler durch „Hanna“ und „Ike“ alle Waren verloren hatte ohne über die nötigen Finanzmittel zu verfügen, um einen neuen Grundstock für ihr Geschäft anzuschaffen, ließ Ministerpräsidentin M. Pierre Louis an 624 Kleinhändler der Stadt jeweils 3.000 hD verteilen. Nach welchen Kriterien diese wenigen ausgesucht wurden, ist nicht bekannt, und es ist sicher auch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, zeigt uns als LEBENSMISSION aber, dass unser Weg, arbeitslosen Gonaivern über unsere Mikrokreditkasse (siehe auch Bericht Seite ) den Start in eine Selbstständigkeit als Kleinhändler zu ermöglichen, richtig ist.

Zweitausend Menschen sollen inzwischen auf Kosten der Regierung damit beschäftigt sein, in den Bergen oberhalb der Stadt Abflusskanäle zu graben, um Gonaives vor künftigen Hochwasserschäden zu bewahren. Ingenieure schätzen allerdings, dass es mit den gegebenen Mitteln voraussichtlich 15 Jahre dauern wird, bis diese Arbeiten den gewünschten Erfolg zeigen.

Währenddessen kommt es immer wieder zu Streiks unter den Lehrern der staatlichen Schulen, die bereits monatelang auf ausstehende Gehälter warten. So wurden Anfang Februar bei Ausschreitungen zwischen den Schülern zweier Gymnasien, die ihre jeweiligen Lehrer unterstützten, 10 Personen zum Teil schwer verletzt.

Von den Regierungen Venezuelas und Kubas finanziert, erhielt Gonaives eine neue Stromzentrale, die am 24.12.2008 in Betrieb genommen wurde und wesentlich zuverlässiger und mehr Strom produzieren soll als die vorherige, hoffnungslos veraltete und überlastete Anlage.
Kinderdorf
Im Vertrauen darauf, dass die neue Stromzentrale es wirklich schaffen wird, täglich 12 Stunden Strom zu liefern, haben wir uns entschieden, auch das Kinderdorf an das städtische Stromnetz anschließen zu lassen. Die ständig steigenden Ausgaben für den Generatordiesel lassen diese einmalige Investition sinnvoll erscheinen. Die Installation soll noch in diesem Frühjahr erfolgen.

Die Renovierungsarbeiten im Kinderdorf gehen weiter. Nachdem im vergangenen Jahr unter anderem die Fenster der verschiedenen Häuser mit einbruchsicheren Gittern versehen und die Gemeinschaftsküche renoviert wurde, wurde inzwischen mit der Erneuerung der maroden Dächer der Kinderhäuser begonnen.
Auch das „Haus Lhérisson“ wird hoffentlich bald für den schon lange geplanten Umzug der erwachsenen Kinderdorf“kinder“ zur Verfügung stehen. Für die letzte Familie von Obdachlosen, die dort untergebracht worden war, wurde inzwischen ein Zimmer angemietet und Geld für die Anschaffung eines gebrauchten Mopeds zur Verfügung gestellt. Dies gibt Jean-François, dem Vater, die Möglichkeit, als Moto-Taxi-Fahrer selbst wieder Geld zu verdienen, um Miete zu bezahlen, seine Familie zu versorgen, und das Bank-Darlehen für jenes Moped zurückzuzahlen, das er bei der Flut verloren hat.


Flutopferhilfe
Die Unterstützung für die Familie von Jean-François gehört zu den Einzelfall-Hilfen, die wir dank der großen Spendenbereitschaft nach „Hanna“ und „Ike“ Flutopfern aus der Nachbarschaft des Kinderdorfes zukommen lassen konnten. 55.000 EUR und 33.000 CHF – das sind die zweckgebundenen Spendenbeträge, für die wir uns an dieser Stelle nochmals herzlich bedanken. 95.000 USD konnten wir bis Ende Januar 2009 für die verschiedenen Hilfsmaßnahmen zur Verfügung stellen. Davon gingen 30.000 USD an unser Kinderdorf für die Ersthilfe direkt nach den Hurrikans, die Versorgung der Obdachlosen bis November und Anschaffungen wie den Ersatz des zerstörten Inverters. Mit weiteren 30.000 USD wurde den Familien aus dem Patenschaftsprojekt und unseren von der Katastrophe betroffenen Mitarbeitern ein Neuanfang ermöglicht und über die Außenhilfekasse und die Ausgabe von „Anti-Hunger-Beträgen“ an 80 Bedürftige Einzelfallhilfe geleistet. Mit 7.000 USD unterstützten wir den Wiederaufbau der schwer beschädigten Schule „Freinet Célestin“, die von einigen der Kinderdorfkinder und vielen Kindern aus den Patenschaften besucht wird, während die Hilfe für die Eltern der Schulkinder in Form der Übernahme der Lehrergehälter und der täglichen Ausgabe einer warmen Mahlzeit im Kindergarten mit 9.000 USD finanziert wird. 11.000 USD erhielt unsere Mikrokreditkasse, um den vielen Kunden, die durch den Verlust ihrer Waren vor dem Nichts standen, die alten Schulden stunden und einen neuen Kredit gewähren zu können. Die Notfallhilfsprogramme der beiden Kirchen von Pastor Denis Noel und Patrice Derrouche konnten mit insgesamt 8.000 USD unterstützt werden.

Donnerstag, 18. Dezember 2008

AKTUELLES (Stand 26.11.08 / Heft 4/08)



Aktuelles
(zus.gestellt v. B. Knochel, Red.schluss 26.11.08)
Kaum im Amt, sah sich Premierministerin Michelle Pierre-Louis nach „Hanna“ und „Ike“ einer menschlichen und wirtschaftlichen Katastrophe im Land gegenüber, die ihr keinen Raum für eine innenpolitische Profilierung ließ. Die Regierung stand der Krisensituation recht hilflos gegenüber und ohne die schnell anlaufende internationale Hilfe und den Einsatz der vor Ort tätigen Nichtregierungs-Organisationen sähe es auch heute in Haiti noch wesentlich schlimmer aus. Gleichzeitig gab es die in solchen Fällen üblichen Schuldzuweisungen; so wies Gérard Latortue, Mme Pierre-Louis’ Vor-Vorgänger, darauf hin, dass unter seiner Übergangsregierung 2005/2006 noch Katastrophenschutz-Projekte für Gonaives in die Wege geleitet worden seien, und nur sein Nachfolger habe zu verantworten, dass weder gegen die Versandung des Hafens noch die Zerrüttung des Kanalisationssystems der Stadt etwas unternommen worden sei.
Die Regierung verschob im September den Schuljahresbeginn auf zunächst Anfang, dann Ende Oktober, verordnete allen Schul-Betreibern, für die Sicherheit ihrer Gebäude zu sorgen, ohne sich finanziell in die Pflicht nehmen zu lassen, und traf mit den USA eine Vereinbarung über den Bau eines 1,2 Mio USD teuren Katastrophen-Zentrums, das künftig für schnellere Hilfe im Krisenfall sorgen soll.
Obwohl die UNO in den letzten Monaten eine Verbesserung der Sicherheitslage im Land festzustellen wagte, ist ihrer Ansicht nach die Situation immer noch so prekär, dass das bis 15. Oktober 2008 befristete Mandat der MINUSTAH um ein weiteres Jahr verlängert wurde. Dies wurde allgemein mit Dankbarkeit aufgenommen, stehen doch im April bereits die nächsten Wahlen an, bei denen nun endlich das bereits seit über einem Jahr vakante Drittel des Senates wieder besetzt werden soll.

Gonaives war nach den Hurrikans zunächst wochenlang auf sich allein gestellt. Erst Ende September konnte die Hochbrücke an der Straße nach Port-au-Prince repariert und wieder befahren werden und gelangten auch erste Hilfstransporte aus dem Norden bzw. über den Seeweg in die Stadt. Viele Menschen haben die Stadt verlassen, in der Schlamm, Müll und die Angst vor Epidemien ein Leben fast unmöglich machen. Die Bewohner schaffen den oft meterhohen Schlamm aus ihren Häusern und kippen ihn mangels anderer Möglichkeiten auf die Straßen. Da die Häuser oft tiefer liegen als die Straßenoberfläche würde jeder größere Regenfall die Viertel sofort wieder hoffnungslos überfluten. Beobachter schätzen, dass man während eines ganzen Jahres täglich 400 LKW-Ladungen Schlamm aus der Stadt schaffen müsste, um sie wieder einigermaßen sauber zu bekommen.

Dank guter Bevorratung war die Versorgung der Kinder und Mitarbeiter im Kinderdorf auch in den ersten Tagen nach „Hanna“ gesichert. Sobald es wieder möglich war, die überfluteten Straßen wenigstens zu Fuß zu benutzen, machten sich Joe und andere Angestellte täglich auf den Weg, um außerhalb Gonaives’ zusätzlich Reis, Bohnen und Sardinen zu kaufen, denn inzwischen mussten statt der üblichen dreißig bis vierzig mehr als 200 Menschen täglich mit Essen versorgt werden. Auch die zunächst überfluteten Häuser konnten recht schnell trockengelegt und wieder genutzt werden, und bis auf einen zerstörten Inverter und mehrere umgestürzte Bäume waren keine größeren Schäden zu beklagen.
Der Umzug von Elie und Maryse ins ehemalige Pförtner-Haus musste vorläufig aufgeschoben werden, da dieses Haus Sr. Paul (siehe Bericht von Bienné Seite ) und einem völlig mittellosen, obdachlos gewordenen älteren Ehepaar als Wohnung zur Verfügung gestellt wurde. Das obere Gästehaus auf dem Kinderdorfgelände wird voraussichtlich noch für einige Monate von Wilfrid Durenom, dem Leiter des Patenschaftsprojektes, und seiner Familie bewohnt werden, da auch das Heim dieser Familie unbewohnbar wurde und sie zunächst sehr beengt bei Verwandten Unterschlupf suchen mussten.
Kinderdorfleiter Joseph Aristhyl konnte mit dreimonatiger Verspätung Ende der dritten Novemberwoche endlich seine Reise in die USA antreten.

Viele Eltern unserer Patenkinder kamen nach der Flut ins Büro und berichtete von ihren Verlusten an Kleidung, Schulmaterial, Haushaltsgegenständen und Möbeln. Doch sind es erfreulich wenige, deren Haus unbewohnbar oder ganz zerstört wurde, und bis heute wurde uns noch von keinerlei Todesfall unter diesen mehr als 300 Familien berichtet. Allen Familien konnten wir mit einer Ersthilfe für Wiederanschaffungen von ca. 50 EUR unter die Arme greifen.

Freitag, 31. Oktober 2008

31.10.08: Noch immer dramatische Zustände in Gonaives/Haiti


Ein herzliches Dankeschön allen, die mit ihren Spenden bisher schon die Hilfsmaßnahmen in Gonaives unterstützt haben.

Inzwischen konnte mit der Ausstattung der im Kinderdorf beherbergten Menschen mit Kleidung begonnen werden. Nachdem bereits einige Schulen Anfang dieser Woche ihren Betrieb wieder aufgenommen haben, die übrigen in den nächsten beiden Wochen beginnen sollen, möchten diese Familien nach und nach das Kinderdorf verlassen.
Viele Familien wissen jedoch nicht, wie sie das Schulgeld für ihre Kleinen aufbringen sollen, nachdem sie alles verloren haben. In welchem Maße die Schulen hier kulant sein können, nachdem vom Staat keinerlei Hilfen für z.B. die Bezahlung der Lehrergehälter zu erwarten sind, bleibt abzuwarten. Wir selbst prüfen derzeit die Möglichkeit, den Schulbetrieb der „Ecole Freinet Célestin“, die auch viele der Kinderdorfkinder besuchen, über die bisherige Unterstützung hinaus zu finanzieren, sowie die eine Schulspeisung für die Kinder unseres Kindergartens während des neuen Schuljahres durchzuführen.

Die unmittelbar nach „Hanna“ angelaufene Straßen-Speisung wird, entgegen der bisherigen Planung, doch vorzeitig beendet werden können.





Die Mikrokredit-Kasse konnte bereits einigen ihrer Kunden aus Spendengeldern einen Neustart ermöglichen.

Aber die Lage in der Stadt Gonaives bleibt weiterhin dramatisch. Ein Mitarbeiter von „Catholic Relief Services“ schätzte in einem Interview, dass die Reinigung von den Schlammmassen ein volles Jahr dauern würde, selbst wenn täglich 400 LKW-Ladungen abtransportiert werden könnten.

Auch „Ärzte ohne Grenzen“, die ihre Arbeit in Gonaives unmittelbar nach dem Durchzug der Hurrikans intensiviert haben, berichten in einem Artikel in diesem Monat von besorgniserregenden Zuständen:
„....Seit Anfang Oktober werden Familien aus Schulen und Kirchen vertrieben, in denen sie Zuflucht gesucht hatten, nachdem die Stürme ihre Häuser zerstört hatten.....Da keine alternativen Unterkünfte zur Verfügung stehen, geht ÄoG davon aus, dass etwa 10.000 Einwohner der Stadt auf Dächern, in Zelten oder in instabil zusammengebauten Hütten aus Holzstücken und Leintüchern leben. Andere Familien sind dutzendweise in verlassenen Gebäuden zusammengepfercht oder leben vorübergehend bei Verwandten auf engstem Raum. Dies hat oft schlechte hygienische Bedingungen zur Folge.....Abgesehen davon ist die Versorgung mit Strom und fließendem Wasser noch nicht wiederhergestellt......
...Die Anzahl der mangelernährten Kinder steigt....Die Bevölkerung Haitis hat generell mit chronischer Nahrungsknappheit und Nahrungsmitteldefiziten zu kämpfen. Die jüngsten Tropenstürme haben die Ernten zerstört und eine große Anzahl an Vieh getötet, was die Menschen jetzt noch bedürftiger macht als vorher.....
...Die internationale Hilfe reicht bei weitem nicht aus und ist zudem chaotisch organisiert...Die Nahrungsmittelhilfe ist quantitativ völlig unzureichend. Darüber hinaus ist sie nicht
geeignet für die Bedürfnisse kleiner Kinder und wird auf eine Art und Weise verteilt, die alleinstehende Mütter ausschließt. Es gibt nach wie vor keine klare Strategie – weder zur Abschätzung des Bedarfs noch zur Durchführung entsprechender Maßnahmen im Bereich der Nahrungsmittelhilfe......Trotz der starken Präsenz internationaler Organisationen....kann die Bevölkerung von Gonaives noch nicht von der internationalen Hilfe profitieren.....
(mit freundlicher Genehmigung von „Ärzte ohne Grenzen“, Berlin, kompletter Artikel nachzulesen unter:
http://www.aerzte-ohne-Grenzen.de/Laender/Laenderauswahl/Haiti/Haiti-Gonaives.php)

Nach wie vor hängt über Gonaives auch die Gefahr von drohenden Epidemien. Seit einigen Tagen wird vom vermehrten Auftreten einer fiebrigen Erkrankung berichtet, die auch die Ärzte in der Stadt nicht diagnostizieren können.

Deshalb: Bitte helfen Sie weiter. Gonaives und seine Bevölkerung sind auf Ihre Unterstützung angewiesen.
Eingehende Spenden fließen weiterhin gezielt in diese Projekte, wo sie Bedürftigen, die unseren Mitarbeitern persönlich bekannt sind, zugute kommen:

Aufbauhilfe für Patenschaftsfamilien
Unterstützung von Schule und Kindergarten
Starthilfe für Kleinhändler und Gewerbetreibende
Einzelfallhilfen und
Reparaturen im Kinderdorf selbst

Unsere Spendenkonten:
Deutschland: Sparkasse Südliche Weinstraße in Landau (BLZ 548 500 10), Konto 22343
Schweiz: Clientis, Sparkasse Zürcher Oberland, 8620 Wetzikon ZH, z.G. Konto 16. 1. 177. 200 10 (Clearing Nr. 6850), Lebensmission, Turmstraße 10, 8330 Pfäffikon