Donnerstag, 29. November 2012

29.11.2012: Haiti: Hilfe durch Patenschaften - ein Beispiel



 Zwischen Melancholie und Hoffnung

Choumara Joseph ist das erste Patenkind, das ich zusammen mit Wilfried während meines Aufenthalts im Kinderdorf besuche. Praktikantin Melanie und ich hatten die Besuche unter uns aufgeteilt, da wir uns beide sehr für die Arbeit der Lebensmission in diesem Bereich interessierten. Endlich war es soweit. Ich hatte mich mit Wilfried auf 16 Uhr nach der Kirche, Mittagessen und seiner Team-Sitzung verabredet. Eine viertel Stunde zu spät – also für haitianische Verhältnisse pünktlich – holt er mich mit seinem „Moto“ vor Helgas Haus ab. Die holprigen Straßen von Gonaives führen uns in eine Seitenstraße nahe gelegen des Kinderdorfes. Wilfried ist einer der vier zuständigen Mitarbeiter, die sich um die Vermittlung und Instandhaltung der Patenschaften kümmern und er nimmt seine Arbeit ernst. Anfänglich etwas schüchtern taut Choumara schnell auf, in dem Wilfried mit seinen Späßchen und Aufmunterungen das Eis zwischen uns bricht. Mein Kreole ist noch immer etwas brüchig, dennoch schaffe ich es, mich mit der 25-Jährigen (*12.09.1987) zu verständigen und ihr zu erklären, weshalb ich hier bin. Die Hütte, in der Choumara zusammen mit ihrer Mutter und ihrer 13-jährigen Schwester Esther wohnt sehe ich nur von außen. Typisch haitianische Backsteinhütte mit Wellblechdach und einem Vorhang anstelle einer Tür. Den Hof teilen sie sich mit der Nachbarschaft, die wie Ameisen neugierig aus sämtlichen Winkeln hervorkriechen. Immer mal wieder ein verstohlener Blick. Große Augen der beiden Kleinkinder, die friedlich wenige Meter von uns entfernt zusammen spielen.

Making a difference

Choumara entpuppt sich als ein sehr ruhiges und freundliches Mädchen, das offenbar sehr dankbar für die finanzielle Unterstützung ihrer deutschen Eltern ist. Ich frage sie, auf welche Schule sie geht und sie erzählt mir, dass sie im ersten Semester Wirtschaftswissenschaften studiert. „Und, bist du gut darin?“ frage ich sie augenzwinkernd. Sie guckt mich an und ein kaum sichtbares Lächeln umspielt ihre Lippen. „Komme si, komme sa“ antwortet sie mir. Mal so mal so. Ich muss schmunzeln und denke mir, dass sich in diesem Punkt wohl alle Schüler einig sind: Schule ist kein Ponyhof und das Leben schon gar nicht. Stehen wir in Deutschland schon unter ständigem Leistungsdruck und haben Angst um unsere Zukunft – was muss erst einem haitianischen Kind durch den Kopf gehen. Viele Kinder können überhaupt nicht zur Schule gehen, da es schlichtweg an finanziellen Mitteln dafür fehlt. Eine solche Patenschaft, wie Choumara sie erhält ist daher Gold wert. Ich bitte sie, mir ein bisschen mehr von
sich zu erzählen und versuche, Wilfried, dem offenbar die Zeit drängt, auszublenden. Sie sieht erst zu mir, dann zu ihrem Mentor, dann wieder zu mir und zuckt mit den Achseln. Sie wüsste nicht, was. Ich nicke ernüchtert. Ob sie denn ihren Paten etwas mitteilen möchte, ihnen einen kleinen Brief schreiben zum Beispiel, frage ich und blicke sie aufmunternd an. Die junge Frau erklärt sich einverstanden und beginnt, in meinen Notizblock zu schreiben. Immer mal wieder hält sie inne, überlegt und fragt ihre jüngere Schwester, die mittlerweile dazu gestoßen ist um Rat bezüglich der Rechtschreibung. Wilfried fordert sie immer wieder auf, sich zu beeilen und blickt ihr über die Schulter, während sie schreibt. Nachdem Choumara fertig geschrieben hat, bitte ich sie und ihre Schwester noch um ein zwei Fotos für ihre Paten. Schließlich verabschieden wir uns und brettern auf Wilfrieds Moto wieder Richtung Kinderdorf. Es war eine tolle Erfahrung, aus erster Hand mitzubekommen, wie mit so wenig Aufwand ein solch großer Unterschied gemacht werden kann. Zu sehen, wie wenig Glück eigentlich bedarf.
(Miriame Sch., in Haiti geboren und in Deutschland aufgewachsen, besuchte im Frühjahr 2012 erstmals ihr Geburtsland)

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